Enttäuschende 180 Seiten ohne klare Vereinbarungen
Anlässlich des Abschlusses der Koalitionsverhandlungen und der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages erklärt Axel Hochrein, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist enttäuscht über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD. Allgemeine Bekenntnisse zur Nichtdiskriminierung bleiben ohne konkrete Maßnahmen für gleiche Rechte, Vielfalt und Respekt leere Worthülsen. Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen werden auf den 180 Seiten weitgehend ignoriert. Zwar sollen „Alle Menschen […] unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben können“, was eine eventuelle Koalition dafür tun wird, bleibt unklar. Offensichtlich bleibt sich die Union in ihrer Blockadepolitik der letzten Jahre treu und lässt die SPD wieder auflaufen. Die Erfahrung aus Koalitionen mit der Union zeigen, dass es konkreter Festschreibungen im Koalitionsvertrag bedarf um Fortschritte für LSBTI zu erreichen.

Der dringend notwendige Nationale Aktionsplan zur Bekämpfung von Homophobie und Transfeindlichkeit fehlt. Stattdessen gibt es das unklare Versprechen, Aktionspläne gegen Rassismus und Diskriminierung fortzuführen. Von Prävention und Monitoring homo- und transphober Gewalt kein Wort. Zwar sollen angeblich alle Familien gestärkt werden, ein Bekenntnis zu einem modernen Familienrecht für eine rechtliche Anerkennung und Absicherung von Kindern in Regenbogenfamilien fehlt jedoch. Änderungen im Abstammungsrecht sollen lediglich geprüft werden. Die Ergänzung von Artikel 3, Absatz 3 im Grundgesetz um die Merkmale der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität wird ebenfalls nicht beabsichtigt.

Versprochen wird eine eigentlich selbstverständliche Umsetzung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zur geschlechtlichen Vielfalt. Ob damit auch die bereits ebenso dringende Reform des Transsexuellenrechts gemeint ist, bleibt unklar. Begrüßenswert ist das explizite Verbot von medizinisch nicht notwendigen Operationen an intergeschlechtliche Menschen.

Zudem will man in der internationalen Zusammenarbeit gegen Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung kämpfen. Ein glaubwürdiges weltweites Eintreten für Entkriminalisierung und Akzeptanzförderung von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen wird jedoch bereits dadurch sabotiert, dass mit Algerien, Tunesien und Marokko Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, die Homosexualität nach wie vor strafrechtlich verfolgen. Eine menschenrechtskonforme LSBTI-inklusive Flüchtlings- und Integrationspolitik ist das nicht.