Sandro Wiggerich, Mitglied des Bundesvorstands des LSVD äußerte sich zur gestrigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:
Als Verband sprechen wir uns seit langem dafür aus, dass intersexuelle bzw. intergeschlechtliche Menschen in unserer Rechtsordnung selbstbestimmt leben können und ihnen rechtliche Anerkennung widerfährt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt einen wichtigen Schritt hin zu diesem Ziel dar. Der Gesetzgeber muss jetzt zügig eine verfassungskonforme Neuregelung schaffen.
Der LSVD fordert den Gesetzgeber auf, einen umfassenden rechtlichen Rahmen für Personen zu schaffen, die sich einem dritten Geschlecht zugehörig fühlen. Dabei darf er nicht bei der Mindestvorgabe des Bundesverfassungsgerichts haltmachen, den dritten Geschlechtseintrag nur Personen mit biologischen Varianten der Geschlechtsentwicklung zu eröffnen. Maßgeblich ist das empfundene Geschlecht. Die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates zur Intersexualität, die dem Deutschen Bundestag bereits 2012 vorlagen, müssen vollständig umgesetzt werden.
Das Bundesverfassungsgericht folgt mit seiner Entscheidung auch der Forderung des Positionspapiers zum Schutz und zur Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt, dass bereits im September vom Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) veröffentlich wurde.
Zum Hintergrund
In Deutschland leben schätzungsweise 100.000 Intersexuelle, die mit unterschiedlichen Geschlechtermerkmalen ausgestattet sind und sich einer traditionellen Geschlechtszuordnung entziehen. Während sich viele von ihnen klar als Mann oder als Frau fühlen, lehnen andere eine solche Zuordnung ab oder empfinden sich als einem dritten Geschlecht zugehörig. Für diese Menschen besteht derzeit nur die Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag vollständig streichen zu lassen, mit unabsehbaren rechtlichen Folgen für Partnerschaft und Familie. Zudem bedeutet das Konzept eines dritten Geschlechts nicht, überhaupt kein Geschlecht zu haben.